Neue Taschenbücher

Viele lohnende Taschenbücher sind zuletzt erschienen, eine kleine Auswahl mag als Anregung oder Einladung zum Lesen oder Verschenken (denken Sie an Ostern!) fungieren.

Der Klavierstimmer Ihrer Majestät“ von Daniel Mason ist ein farbiger historischer Roman, der nach Birma am Ende des 19. Jahrhunderts führt. Die Briten geben dort den Ton an und beauftragen den Klavierstimmer Edgar Drake mit der Reparatur eines Flügels. Eine abenteuerliche Reise nimmt seinen Lauf.

Treue“ von Hernan Diaz (Pulitzer-Preis 2023) ist das meisterliche Porträt eines Börsenmagnaten, der in den 1920er Jahren den Aktienmarkt beherrscht. Doch die schwere Erkrankung seiner Frau wird zu seiner größten Herausforderung.

Jo Browning Wroe schildert in „Der Klang der Erinnerung“ das Auf und Ab im Leben des jungen William, der einst in Cambridge ein meisterlicher Chorsänger war und dann zum Bestatter wurde. Dieser bewegende Roman beschreibt einfühlsam die Magie der Musik und die Kraft der Freundschaft ohne den Hauch jeder Sentimentalität.

Hart, düster, radikal ist „Hund, Wolf, Schakal„, das wortgewaltige Debüt von Behzad Karim Khani. Die Brüder Saam und Nima, deren Vater aus dem Iran geflohen ist, wachsen im multikulturellen Neukölln auf und geraten in die Welt der Kleindealer und Ideologen.

Auch „Scham“ von Inès Bayard ist knallhart: Eine junge Frau wird vergewaltigt. Nichts ist mehr so wie es war. Marie versucht zu funktionieren, doch das Verbrechen holt sie immer wieder ein.

Maggie Nelson erkundet in „Die roten Stellen“ ebenfalls die Abgründe eines Gewaltverbrechens: 1969 wird ihre Tante ermordet. 30 Jahre später führt eine DNA-Analyse zum Täter. Nelson beschreibt den Prozess gegen ihn und die Folgen für ihre Familie.

Attica Lockes Bluebird, Bluebird“ ist ein so kluger wie fesselnder Kriminalroman über den Rassismus in den USA: Als in der Kleinstadt Lark die Leichen eines schwarzen Mannes und einer weißen Frau gefunden werden, deutet alles auf ein Hassverbrechen hin. Oder steckt etwas anderes dahinter?

Peter Swanson legt mit „Drei sind einer zu viel“ wieder einen wunderbaren Pageturner vor: Privatdetektiv Henry Kimball ermittelt in einem Fall von Ehebruch. Doch seine Klientin ist ihm schon einmal begegnet – beide wurden einst zu Augenzeugen eines Mordes…

Arne Dahl startet mit „Stummer Schrei“ eine neue Serie: Eva Nyman und ihr Team suchen einen Bombenleger, der zwei Manager auf dem Gewissen hat. Hat Nymans einstiger Chef etwas damit zu tun?

Ulf Kvensler legt mit „Der Ausflug“ ein überzeugendes Debüt vor: Vier Freunde gehen im schwedischen Nationalpark Sarek wandern. Doch der Ausflug wird zur Katastrophe…

In „Gestehe“ von Henri Faber lernen wir den Wiener Starermittler „Jacket“ Winkler kennen, der einst in Sachen Organhandel ermittelte – und nun in eine Mordserie verwickelt wird, die ihn vom Jäger zum Gejagten macht.

Nach so viel Gewalt holen wir uns Trost und Zerstreuung bei Mariana Leky, die in „Kummer aller Art“ so komische wie lebenskluge Kurzgeschichten über den zumeist mühseligen menschlichen Alltag versammelt. Leiden Sie gelegentlich an irgendeinem Kummer welcher Art auch immer? Mariana Leky weiß Rat!

Mason, Daniel: Der Klavierstimmer Ihrer Majestät (dtv) 15€
Diaz, Hernan: Treue (btb) 15€
Wroe, Jo Browning: Der Klang der Erinnerung (Insel) 13€
Khani, Behzad Karim: Hund, Wolf, Schakal (Fischer) 14€
Bayard, Inès: Scham (btb) 14€
Nelson, Maggie: Die roten Stellen (btb) 14€
Locke, Attica: Bluebird, Bluebird (Unionsverlag) 14€
Swanson, Peter: Drei sind einer zu viel (Oktopus) 19,90€
Dahl, Arne: Stummer Schrei (Piper) 17€
Kvensler, Ulf: Der Ausflug (Penguin) 17€
Faber, Henri: Gestehe (dtv) 16€
Leky, Mariana: Kummer aller Art (DuMont) 13€

Michael Köhlmeier

Michael Köhlmeiers neuer Roman „Das Philosophenschiff“ erzählt in Form einer fiktiven Lebensgeschichte von den Untiefen des 20. Jahrhunderts. Leider wiederholt sich die Geschichte der Menschheit in groben Zügen immer wieder – „Das Philosophenschiff“ beweist es und erweist sich dabei als literarisches Meisterwerk mit erschütternder Aktualität.

Anouk Perleman-Jacob ist berühmt: In Russland geboren, legte die Architektin eine Weltkarriere hin. Ihren 100. Geburtstag feiert sie in ihrer Wahlheimat Österreich – und hat einen besonderen Wunsch: Sie trifft sich mit dem Ich-Erzähler (einem berühmten Schriftsteller), um ihm ihre Lebensgeschichte zu erzählen.

Dabei konzentriert sie sich vor allem auf ihre Ausreise aus der Sowjetunion Anfang der 20er Jahre: Ein riesiges Dampfturbinenschiff mit Platz für 2000 Passagieren legt in St. Petersburg mit ungewissem Ziel los – an Bord lediglich ein Dutzend ratloser Zeitgenossen auf ihrem Weg ins Exil.

Die 14-jährige Anouk und ihre Eltern haben eine ungewisse Zukunft vor sich. Und auch diese Schiffsreise ist befremdlich: Niemand scheint das Ziel zu kennen, jederzeit könnte die allmächtige Partei Exekutionen anordnen.

Derweil schaut sich das aufgeweckte Mädchen auf dem Schiff um. Und macht eine verblüffende Entdeckung: Auf dem Luxusdeck der ersten Klasse befindet sich ein weiterer Passagier, der heimlich auf das Schiff gebracht worden ist. Es handelt sich um keinen geringeren als Lenin persönlich.

Der Vater der Russischen Revolution und das kleine Mädchen freunden sich an und treffen sich immer wieder. Doch dann greift der Lauf der Geschichte (beziehungsweise der lange Arm der Partei) ein…

Michael Köhlmeier (Jahrgang 1949) beweist wie in „Zwei Herren am Strand“ sein Gespür für historische Zusammenhänge, die er immer mit seinem besonderen Touch erzählt. Im „Philosophenschiff“ geht es u. a. um die Gewalt von oben, die in Terror und Verfolgung mündet. Die Geschichte Russlands und der Sowjetunion ist auch eine Geschichte von Terror, Verfolgung und Angriffskriegen, und nicht zuletzt die eigene Bevölkerung wurde (und wird) zur Zielscheibe.

Der derzeitige Herrscher im Kreml sieht sein Reich als legitimen Nachfolgestaat der UdSSR – und beweist durch seine kriegerische und unterdrückerische Politik, dass er seinen zahlreichen Vorgängern in Sachen Gewaltherrschaft nur allzu willig folgt. Auch Lenin ordnete während des Bürgerkrieges Deportationen und Ermordungen vermeintlicher Gegner an („Roter Terror“). Ein Menschenfreund war dieser fanatische Revolutionär wohl eher nicht (wie man es bei Köhlmeier schön beiläufig nachlesen kann).

Doch gibt es auch andere Überzeugungen, andere Erfahrungen, andere Lebensläufe – das und noch viel mehr erfahren wir durch das wunderbare „Philosophenschiff“ aus der Feder eines großen Meisters.

Köhlmeier, Michael: Das Philosophenschiff (Hanser Verlag) 24€
Köhlmeier, Michael: Zwei Herren am Strand (dtv) 13,95€

Lawrence Osborne

Lawrence Osbornes neuer Roman „Java Road Hongkong“ ist nicht nur ein fesselnder Roman über die politischen Verhältnisse dieser ganz besonderen Stadt, sondern auch eine spannende Kriminalgeschichte, die es wahrlich in sich hat.

Der englische Journalist Adrian Gyle lebt seit zwei Jahrzehnten in Hongkong. Seine Karriere dümpelt vor sich hin, die (wenigen) Aufträge halten ihn eher knapp über Wasser. Dazu sorgt die politische Situation für allseitiges Missvergnügen: Student*innen demonstrieren für demokratische Mitbestimmung, während die pekingtreuen Stadtoberhäupter die Zügel immer enger anziehen.

Selbst die Schönen und Reichen der Oberschicht machen sich Gedanken, fürchten sich vor den protestierenden Jugendlichen und können plötzlich dem Kommunismus chinesischer Bauart etwas abgewinnen.

Auch Jimmy Tang gehört zu den Millionären der Stadt – und ist seit gemeinsamen Studientagen ein alter Freund von Adrian. Als Jimmy mit der rätselhaften Studentin Rebecca auftaucht und die gemeinsame Zweisamkeit ostentativ zelebriert (der Mann ist seit vielen Jahren verheiratet), gerät der Journalistenfreund in eine moralische Zwickmühle. Doch Rebecca verschwindet spurlos – und Adrian beginnt zu recherchieren…

Lawrence Osborne (Jahrgang 1958) hat schon mit seinen Romanen „Denen man vergibt“ sowie „Welch schöne Tiere wir sind“ seine große Klasse bewiesen. Sarkasmus, ein gewisser Zynismus und große Beobachtungsgabe zeichnen seine Werke aus, langweilig wird es hier nie. Und was schreibt dieser Autor für zündende Dialoge! Der Vergleich mit dem großen Graham Greene (auch so ein Meister in der Schilderung psychologischer Feinheiten) ist da durchaus angebracht. Kurz gesagt: „Jaffa Road Hongkong“ ist ein Meisterwerk!

Osborne, Lawrence: Java Road Hongkong (Ars Vivendi) 22€
Osborne, Lawrence: Denen man vergibt (dtv) 13€
Osborne, Lawrence: Welch schöne Tiere wir sind (Piper) 11,99€ (eBook, Print-Ausgabe vergriffen!)

John Ajvide Lindqvist

John Ajvide Lindqvist ist der neue Star am Thriller-Himmel. „Refugium,“ Auftakt seiner großen Spannungstrilogie, vereint alle Stärken schwedischer Krimi-Kunst: Spannung, Action und einen genauen Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse.

Als auf einer Schäreninsel die Gäste einer Mittsommerparty brutal ermordet werden, ist Julia Malmros gleich doppelt betroffen: Sie besitzt nicht nur in der Nähe ein Ferienhaus, sondern ist auch eine alte Freundin des getöteten Unternehmers Helander. Dessen Tochter Astrid hat als einzige das Attentat überlebt.

Malmros, erfolgreiche Krimiautorin und frühere Polizistin, ermittelt selbst in dem spektakulären Fall und arbeitet dabei mit dem undurchsichtigen Hacker Kim Ribbing zusammen. Und während sich Kim in die Tiefen der asiatischen Unterwelt begibt, versucht Malmros die alten Kontakte zur Polizei aufzufrischen (immerhin ist ihr Exmann Johnny Leiter des Ermittlungsteams)…

John Ajvide Lindqvist (Jahrgang 1968) arbeitete zunächst als Zauberer und Stand-Up-Comedian, bevor er in seiner schwedischen Heimat zum Bestsellerautor wurde.

Refugium“ lässt keine Wünsche offen und wird auch die Fans der „Millenium„-Serie begeistern. Einziger Wermutstropfen: Die beiden Folgebände werden erst in den Sommertagen von 2024 und 2025 erscheinen. Aber glücklicherweise ist eine Alternative von Lindqvist ebenfalls bei dtv erschienen: „Unwesen“ verbreitet unheimliche Spannung und ist ebenfalls höchst lesenswert.

Lindqvist, John Ajvide: Refugium (dtv) 24€

Neue Taschenbücher

Das noch junge Literaturjahr kann mit diversen lesenswerten Neuerscheinungen im Taschenbuch aufwarten. Emine Sevgi Özdamar etwa blickt in „Ein von Schatten begrenzter Raum“ zurück auf ihre eigene Lebensgeschichte und verbindet dabei Poesie, Politik und Zeitgeschichte zu einem eindringlichen Roman.

Constanze NeumannsWellenflug“ ist die bewegende Geschichte ihrer jüdischen Familie, die in der Kaiserzeit durch den Handel mit Stoffen zu Wohlstand kam und in der Nazizeit fast alles verlieren sollte.

In „Nicht mein Ding“ von Jami Attenberg geht es um Andrea, die als kinderloser Single in New York lebt und auf gängige Rollenerwartungen pfeift. Das führt zu schrägen Verwicklungen und manchen Verwerfungen – herrlich!

Joachim B. Schmidts Debüt „In Küstennähe“ (2013 erstmals erschienen) liegt nun als handliches Taschenbuch bei Diogenes vor. Der junge Larus arbeitet in der isländischen Provinz in einem Altersheim und dealt nebenbei mit Drogen. Die Begegnung mit einem Bewohner wird auf überraschende Weise sein Leben verändern…

Im Krimibereich ragt der neue Thriller von Johannes Groschupf heraus: „Die Stunde der Hyänen“ handelt von einer Brandserie in Kreuzberg. Mehrere Autos sowie ein Antiquariat werden angesteckt, die Polizei steht vor einem Rätsel. Die unkonventionelle Ermittlerin Romina Winter begibt sich auf den Kiez und nimmt die Witterung auf…

Florence Aubenas zählt zu den bekanntesten Journalistinnen Frankreichs. In „Er ist keiner von uns“ erzählt sie die wahre Geschichte eines Mordfalls: Im Dezember 2008 wird eine schwangere Postbeamtin in einem Dorf erstochen. Ein bekannter Schauspieler, der gegenüber der Postfiliale wohnt, gerät unter Verdacht. Aubenas schildert in ihrer Reportage den Verlauf dieses spektakulären Kriminalfalls und zeichnet nebenbei ein stimmiges Porträt der französischen Gesellschaft.

Der Anschlag auf einen Nachtklub erschüttert Finnland. Kommissar Henrik Oksman und sein Team von der Kripo Pori stehen vor vielen Fragen und unter Druck, denn der Täter droht mit weiteren Anschlägen. Arttu TuominensWas wir verbergen“ überzeugt mit rasanter Spannung und einem genauen Blick auf den beruflichen Alltag der Kriminalisten.

Steve Cavanagh stürmte zuletzt mit „Thirteen“ sowie „Fifty Fifty“ die Bestsellerlisten. Nun ist der erste Fall seiner Serie um Eddie Flynn endlich wieder lieferbar: In „Zu wenig Zeit zum Sterben“ bekommt es der unkonventionelle Anwalt mit der Russenmafia zu tun. Diese hat seine Tochter entführt – Flynn soll den des Mordes angeklagten Paten des Clans vor Gericht verteidigen. Der Countdown läuft…

Özdamar, Emine Sevgi: Ein von Schatten begrenzter Raum (Suhrkamp) 15€
Neumann, Constanze: Wellenflug (Ullstein) 12,99€
Attenberg, Jami: Nicht mein Ding (btb) 12€
Schmidt, Joachim B.: In Küstennähe (Diogenes) 14€

Groschupf, Johannes: Die Stunde der Hyänen (Suhrkamp) 16€
Aubenas, Florence: Er ist keiner von uns (dtv) 15,95€
Tuominen, Arttu: Was wir verbergen (Lübbe) 16,99€
Cavanagh, Steve: Zu wenig Zeit zum Sterben (Goldmann) 12€

Marta Orriols

Spanien ist bekanntlich Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Arrivierte und neue Stimmen aus dem Lande sind da zu entdecken, Marta Orriols (Jahrgang 1975) zählt zu den aufstrebenden Schriftsteller*innen ihrer Generation. Ihr Roman „Sanfte Einführung ins Chaos“ (aus dem Katalanischen übersetzt von Ursula Bachhausen) beschreibt stimmig die Lebenssituation einer Jugend, die auf der Suche nach dem Glück den alltäglichen Wirrnissen und Unsicherheiten trotzen muss.

Marta und Daniel sind beide Anfang 30 und seit zwei Jahren zusammen. Sie arbeitet als freie Fotojournalistin, ihr Partner als Drehbuchautor und Dozent für kreatives Schreiben. Eigentlich läuft es gut für die beiden: Sie passen zueinander, haben viele Freunde und Bekannte und fühlen sich wohl in Barcelona.

Andererseits führen sie ein prekäres (Arbeits-)Leben: Sie hangeln sich von Auftrag zu Auftrag, die Kosten im hippen Barcelona steigen immer mehr. Spanien leidet immer noch unter den Folgen der Wirtschaftskrise von 2008.

Als Marta von ihrer Schwangerschaft erfährt, wird die bislang funktionierende Beziehung auf eine harte Belastungsprobe gestellt. Marta entscheidet sich für die Abtreibung: Sie sieht sich (noch) nicht als Mutter und will auf keinen Fall ein ungewolltes Kind in die Welt setzen. Daniel unterstützt sie, doch kommen ihm Zweifel: Sind sie nicht im richtigen Alter für Kinder? Und was ist mit dem hervorragenden Angebot für Marta aus Berlin, das sie unbedingt annehmen will? Daniel kann sich ein Leben in Deutschland nicht vorstellen …

Nach dem Debüt „Der Moment zwischen den Zeiten“ zeigt Marta Orriols auch mit ihrem zweiten Roman große erzählerische Klasse. Man ist sofort vertraut mit den Nöten und Wünschen einer desillusionierten Generation, deren Zukunft unsicher ist, die aber trotzdem ihre künstlerischen, beruflichen und privaten Ziele verfolgt. Das lässt sich nicht immer unter einen Hut bekommen – die Widersprüche und Herausforderungen, die sich daraus ergeben, beschreibt Marta Orriols in überzeugender Manier.

Marta Orriols: Sanfte Einführung ins Chaos (dtv) 22€

Henri Faber

Henri Faber hat mit „Ausweglos“ einen der außergewöhnlichsten Thriller des Sommers vorgelegt – und er spielt auch noch in Hamburg…

Der Ringfingermörder war wieder am Werk, ein weiteres Opfer ist zu beklagen. Immerhin gibt es einen Zeugen: Noah Klingberg erinnert sich zwar kaum an das Aussehen des Täters, kann aber den Ablauf des Dramas schildern. Demnach sei er auf dem Dachboden von einem Mann überwältigt und gezwungen worden, diesem Zugang zu seiner Wohnung zu verschaffen. Geistesgegenwärtig habe Klingberg ihn dann in die scheinbar leere Wohnung der Nachbarn gelotst und sei dort zusammengeschlagen worden. Doch die Nachbarin Emma Falk war zu Hause und wurde kaltblütig ermordet.

Spezialermittler Elias Blohm kommt an dem neuen Fall so manches seltsam vor. Klingberg, ein erfolgloser Schriftsteller, gerät selbst unter Verdacht. Und welche Rolle spielt seine Frau Linda, die zur Tatzeit in der Wohnung weilte, aber nichts von dem Geschehen nebenan mitbekommen haben will? Derweil nimmt der Druck auf die Polizei immer mehr zu – die Serie an Frauenmorden erschüttert die Öffentlichkeit. Blohm muss liefern…

Henri Faber, geboren 1986 in Niederösterreich, lebt seit einigen Jahren als Autor und Texter in Hamburg. Mit seinem Debüt „Ausweglos“ zeigt er seine ganze Klasse: Mit verblüffenden Wendungen erzeugt er eine irrwitzige Spannung, die bis zum Schluss anhält. Figurenzeichnung, Handlungsaufbau und Dialoge überzeugen auf Anhieb. Dieser Thriller überzeugt – machen Sie sich auf etwas gefasst!

Faber, Henri: Ausweglos (dtv) 11,95€

Ian McGuire

Ian McGuires neuer Roman „Der Abstinent“ ist ein Pageturner par excellence – und fabelhaft geschrieben ist er obendrein.

Nordwasser“ machte den im Jahre 1964 in Hull geborenen McGuire auch hierzulande bekannt. Auch „Der Abstinent“ spielt im 19. Jahrhundert: Wir lernen James O’Connor kennen, der anno 1867 in Manchester als Polizist mit Spezialauftrag agiert. Er ist von Dublin hergewechselt, um die für die irische Unabhängigkeit kämpfenden „Fenians“ auszuspionieren. Und tatsächlich brodelt es in der Stadt, nachdem drei Kämpfer der Bewegung hingerichtet worden sind.

O´Connor befindet sich zwischen den Stühlen: Die englischen Kollegen schauen auf ihn herab, während seine irischen Landsleute den Neuankömmling kritisch beäugen. Zudem hat er den frühen Tod seiner Frau noch nicht überwunden. Und so hält sich der Abstinent fern vom Alkohol und ermittelt in den üblen Spelunken der düsteren Industriestadt.

Derweil trifft aus Amerika Stephen Doyle ein. Der Veteran aus dem amerikanischen Bürgerkrieg soll einen Auftrag für die Bewegung erledigen – und wird zu O´Connors erbittertem Widersacher…

Grimmig geht es zu in diesem Roman: Ian McGuire beschreibt eindrucksvoll das dreckige, gefährliche Manchester dieser Jahre. Harte Arbeit, Armut, Kriminalität und Alkoholismus bestimmen das Bild, die zunehmenden Auseinandersetzungen um die irische Unabhängigkeit spalten die Gesellschaft.

O´Connor und Doyle verkörpern die gegensätzlichen Pole in dieser Geschichte, dabei sind die beiden Gegenspieler durchaus nicht frei von Widersprüchen und Selbstzweifeln. Die in der Kindheit erlittenen Wunden und Beschädigungen verbinden sogar die sonst so unterschiedlichen Antipoden. Und so ist Ian McGuire mit „Der Abstinent“ auch ein großer Roman über die stete Macht des Bösen und seine Folgen gelungen.

McGuire, Ian: Der Abstinent (dtv) 23€